Impulse von Felix Behm

Ist die Generation Z BEZIEHUNGSUNFÄHIG?

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Es ist nie genug!

Was will die Generation Z eigentlich wirklich? Diese Frage stellen sich seit Jahren Führungskräfte und Personaler – inzwischen aber auch immer mehr Eltern. Und Beteiligte der nächst älteren Generation – Y – die auf der Suche nach der besseren Hälfte aus der GenZ sind. Viele finden ihr Glück irgendwann – und landen dann in einer „Situation-Ship“, einer Beziehung, die nicht wirklich eine ist, sich aber wie eine anfühlen kann. Kompliziert, oder? Da kommt immer häufiger die Frage auf: Ist diese Generation eigentlich überhaupt beziehungsfähig?

Situationships sind Trend!

„Wir haben kein Bock uns ständig entscheiden zu müssen“. Dieser Satz fiel im Gespräch mit einem Jugendlichen zu einem ganz anderen Kontext. Es ging um die Auswahl des richtigen Berufs nach der Schule. Da ich aber inzwischen bekannt dafür bin Zusammenhänge und Denkmuster generationsübergreifend in verschiedene Situationen zu übertragen – und diese in meiner Zusammenarbeit mit jungen Menschen immer auf den Prüfstand stelle – erlaube ich mir auch hier dem Trend der Zeit nachzugehen. „Zu viel Auswahl“ hat die Generation Z – also die zwischen 1995 und 2009 geborenen“ nämlich schon längst nicht nur beim Job-Angebot. In einer Zeit des Wohlstandes in Deutschland können junge Menschen wählen: Wo gehe ich heute essen, was bestelle ich bei Amazon, welche Musik streame ich zuhause, in welches Land reise ich als nächstes, welche Farbe haben meine nächsten Sneaker. Natürlich treffen die Freiheiten dieser Entscheidung nie auf alle Beteiligten der Generation Z gleichermaßen zu, einem Großteil aber schon.

Der Druck sich entscheiden zu müssen und doch alles bekommen zu können ist prägend. Die meisten Dinge bekommt man sogar mit einem Klick in der digitalen Welt. Ohne Wartezeit. Immer. 24 Stunden täglich. Und wenn mir etwas nicht mehr gefällt, mein Influencer nicht mehr das postet, was mich anspricht, entfolge ich ihm eben einfach wieder. So einfach geht das. Aber wie ist das, wenn ich mich in jemanden verliebe? Muss ich mich dann endgültig entscheiden? Vielleicht treffe ich ja morgen jemand, der noch besser passt. Wie bei den Sportklamotten, die heute von Nike noch IN sind, aber morgen vielleicht eher von Oceansappart? Einfach wechseln! Am besten sich alles offen halten. Man weiß nie, was noch kommt! Eine situationsbedingte Beziehung scheint also die perfekte Lösung zu sein.

Eine Situationship ist eine lockere, undefinierte Art der zwischenmenschlichen Beziehung, die weder als feste Partnerschaft noch als reine Affäre klassifiziert wird.

Wikipedia

Die Frankfurter Allgemeine Zeitung schreibt 2015, dass 42% der Tinder-Nutzer überhaupt keine Singles seien. Eine erschreckend hohe Zahl. Und auch hier liegt die Begründung sicher darin, dass es so herrlich einfach ist während einer Beziehung sich in wenigen Minuten auf einer Dating-Plattform anzumelden und – bei Bedarf anonym – sich hunderte hübsche Frauen oder Männer anzusehen. Und anzuschreiben.

Dating-Apps gibt es inzwischen wie Sand am Meer

Wussten Sie, dass es mit der App „Veggly“ die erste vegane Dating-App gibt? Also eine App, bei der sich Veganer finden können? Verrückt oder? Die jedoch größte und bekannteste Dating-App ist Tinder, die 2012 erschien und mehr als 75 Millionen User weltweit hat. 80% davon sind aus der Generation Z. Aber auch neuere Apps wie Bumble, die es seit 2014 gibt oder Lavoo, Once und Joyce sind nur ein Bruchteil der Möglichkeiten, die der App-Store als Möglichkeiten anzeigt bei den Stichworten „Dating App“. Wer Lust hat kann sich rund um die Uhr auf den Dating-Plattformen austoben und potentielle Partner auf der ganzen Welt swipen. Die Basisfunktionen, wie eine begrenzte Anzahl von Likes, die einem täglich zur Verfügung stehen, sind dabei kostenlos. Für Premium, Premium+ oder Platin-Pakete bekommt man dann noch mehr Möglichkeiten den eventuell passenden Partner schneller angezeigt zu bekommen oder kann sich Lesebestätigungen kaufen beim Versenden von Nachrichten.

Liebe wird in diesen Dating-Apps schnell zur Ware. In nur wenigen Sekunden entscheidet man sich für oder gegen jemand. Mit einem Wisch kann alles vorbei sein. Umso wichtiger ist es, dass das Profilbild perfekt ist. Makellos. Bis hin zu unecht. Denn nur wer perfekt ist bekommt möglichst viele Matches.

Viele Likes geben Selbstvertrauen

Ein weiteres Problem liegt darin, wie junge Menschen heute aufwachsen. Nämlich in einer Like-Welt. Sie sind mit ihrem ersten Smartphone, dass Sie ab ca. 10 Jahren bekommen (in Frankreich laut Studien bereits ab dem sieben Lebensjahr) gewohnt ihre Leistung, Beliebtheit und Kreativität auf Social Media in der Währung der Likes zu bewerten. Das Spiel ist einfach: Wer viele Likes bekommt, bekommt viele Follower und ist einfach beliebt. Übertragen auf Tinder und co. – die nach ähnlichen Mechanismen wie Social Media Apps aufgebaut sind – heißt das: Viele Likes bedeuten, dass ich gut genug bin und als attraktiv gelte.

Es ist ein Spiel mit dem Feuer. Denn eine ehrliche Beschreibung der eigenen Person mit allen Ecken und Kanten führt meist nicht zum Erfolg. Auf der anderen Seite kommt spätestens beim persönlichen Treffen ans Tageslicht, was in der virtuellen Welt vertuscht wurde. Der Gedanke bei Kleinigkeiten, die einen am anderen stören, schnell das Handy zu zücken und den oder die nächst beste Partnerin zu „matchen“ ist ständig präsent. Noch nie war das so einfach wie heute.

Heute heiratet man 10 Jahre später als 1970

Früh binden? Fehlanzeige. Dafür ist die „Ablenkung“ einfach zu groß. Die Möglichkeiten jemanden zu finden, der eventuell noch besser zu mir passt, fast unendlich. Statistiken belegen das. Während Männer 1970 noch mit 25 Jahren in der Regel verheiratet waren, sind sie es heute erst mit durchschnittlich 35 Jahren. Die junge Generation möchte sich also immer später binden. Dazu bekommen Sie auch immer weniger Kinder, was der demografische Wandel bestätigt und nicht erst heute eine wirkliche Neuigkeit ist, denn die Generation Z war in dieser Thematik nicht wirklich besser.

Ein weiterer Punkt stellt außerdem die finanzielle Unabhängigkeit des Einzelnen dar. Niemand möchte sich heute von seinem Partner finanziell abhängig machen. Wir wollen auf eigenen Beinen stehen, selbst bestimmen, wie unser Leben verläuft und das mit den finanziellen Möglichkeiten dazu in der Hand zu haben. Der „Druck“, der vor allem vor wenigen Jahrzehnten auf zumeist auf den Frauen lastete einen Partner zu finden, der auch für finanzielle Absicherung sorgt, ist weg. Auch wenn Frauen heute noch in vielen Branchen im Vergleich zu Männern weniger verdienen, so gleicht sich das Gehalt gerade in den letzten Jahren doch langsam an.

Am Ende bleibt nur eines: Abwarten

Wie es mit der Generation Z und dem Thema Beziehungsfähigkeit beziehungsweise -unfähigkeit weitergeht, bleibt abzuwarten. Die Ältesten dieser Generation sind gerade einmal 30 Jahre und damit noch zu jung, um anhand von statistischen Auswertungen Vergleiche ziehen zu können. Eines ist aber sicher und damit ein entscheidendes Kriterium in der Entwicklung zu dieser Thematik. Die Möglichkeiten der Partnerwahl sind fast unbegrenzt. Online- und Offline gibt es so viele Events und Plattformen wie nie zuvor. Und so schön das im ersten Moment klingt, so treibt viele ein Überangebot eher in die Überforderung. Wir kennen das alle. Wer wie ich Anfang der 2000er aufgewachsen ist hatte nur wenige Möglichkeiten im ländlichen Gebiet jemanden kennenzulernen. Und wenn das dann passiert ist, waren endlose Text- oder Sprachnachrichten, Facetime-Calls oder Zoom-Sessions zum langsamen Abtasten und Annähern nicht möglich. Man musste sich verabreden, ohne Ablenkung durch Apps und Likes. Die Kommunikationsmöglichkeiten waren begrenzt – und damit in gewisser Hinsicht einfacher als heute.

Über den Autor Felix Behm

Speaker Generation Z

Felix Behm ist Keynote Speaker und führender Experte zum Thema Generation Z.

Er ist Autor der Bücher „Generation Z – Ganz anders als gedacht“ und „Generation Z begeistern und binden„.